[DE] Grundregeln für das Scheitern eines SharePoint-Projektes

// Gastbeitrag von Karsten Ulferts, ProTechnology, Dresden

„Warum und woran scheitern SharePoint-Projekte“?

Diese Frage gehört definitiv zu den FAQ von Unternehmen, die sich beim ersten Versuch, SharePoint einzuführen, häufig gewaltig die Finger verbrannt haben. Da diese Artikel kein Ratgeber voller Binsenweisheiten sein soll, gehen wir mit ungekehrter Logik an das Thema heran und zeigen Ihnen anhand der Grundregeln für das Scheitern eines SharePoint-Projektes, wie Sie ein SharePoint-Projekt sowohl als Kunde als auch als Dienstleister mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit gegen die Wand fahren.

Ergo: Wer weiß, wie es nicht gemacht werden darf, ist schon ein ganzes Stück schlauer als der große Rest. Ergänzungen sind herzlich willkommen!

Verzichten Sie auf Inhouse-Recherche zu potentiellen Konkurrenz-Systemen!

Verzichten Sie im Vorfeld auf eine unternehmensweite Recherche nach Synergie- oder Konfliktmöglichkeiten mit anderen Systemen. Ignorieren Sie daher sowohl den Betrieb als auch parallele Einführungsprojekte anderer Such-, BI-,EAI-, oder Social-Systeme.

Verspeisen Sie den ganzen Donut auf einmal!

Für SharePoint hat das Gleiche zu gelten wie für Cloud-Computing: Entweder alles und sofort oder gar nicht! Führen Sie SharePoint unbedingt in allen Teams und Abteilungen gleichzeitig ein und sorgen Sie dafür, dass alle Interessensvertreter zeitgleich mit ganz eigenen Vorstellungen auf den Dienstleister zustürmen.

Schöpfen Sie ihre Lizenzgebühren, die Sie an Microsoft abtreten maximal aus und nutzen Sie daher unbedingt das Ganze und volle Funktionsangebot von SharePoint. Dies gilt vor allem und besonders für den Bereich Social! Denken Sie im Himmels willen nicht über eigene Konzepte nach. Und wenn doch, dann frühestens nach der Verabschiedung des Pflichtenheftes.

Priorisieren Sie alle Probleme der hausinternen Zusammenarbeit gleich und drücken Sie so viel Funktionalität wie möglich in das Projekt! Wenn schon, denn schon.

Befüllen Sie SharePoint mit dem Schaufelbagger!

Übertragen Sie bei der Einführungsvorbereitung eines SharePoint-DMS auf jeden Fall den kompletten Dokumentenbestand vom Fileshare in den SharePoint und behalten unbedingt die alte Ordnerstruktur bei! Machen Sie regen Gebrauch vom Ordner-Content-Type, bilden Sie die alte Verzeichnisstruktur 1:1 ab und lassen Sie die Finger von Taxonomie oder einer Neustrukturierung.

Tortenboden verschmähen, Tortenbelag genießen !

Zeigen Sie möglichst wenig Interesse für die Basisfunktionalität von SharePoint, da Sie sich in Wirklichkeit ausschließlich für eine (kostenintensive) Erweiterungssoftware interessieren, die zwar zu 80% aus Standardfunktionalität von SharePoint besteht, aber schon rein optisch ihr Geld absolut wert ist.

Nutzer ist Nutzer!

Behandeln Sie die Nutzer von SharePoint im (mobilen) Innen- und Außendienst unbedingt in gleicher Weise! Canceln Sie daher die Nutzung von Offline-Software wie SharePoint Workspace gleich von vornherein als überflüssig ab und zwingen Sie die Außendienstler zum Seitenaufruf via UMTS. Die langsame Datenübertragung ist dann deren Problem.

Namedropping statt Referenzen sprechen lassen!

Informieren Sie sich keinesfalls genauer über das Erfahrungswissen Ihres zukünftigen Dienstleisters! Verlassen Sie sich auf das übliche Namedropping und schließen Sie von vornherein die Möglichkeit aus, dass Ihr Dienstleister in spe das vorherige SharePoint-Projekt sowohl bei der technischen als auch bei der sozialen Implementierung komplett gegen die Wand gefahren haben könnte.

Beauftragen Sie notfalls irgendeinen hausinternen Administrator oder Praktikanten mit der Einführung von SharePoint.

SharePoint ist und bleibt triviales Webseiten-Geklicke und ist von jedem der vorgibt, sich mit SharePoint einigermaßen auszukennen und sich zeitweise damit auseinandersetzt, problemlos zu planen, aufzubauen und zu administrieren. Vernachlässigen Sie den Unterschied zwischen Entwickler und Administrator. Die Selbstbezeichnung „SharePoint-Consultant“ passt schon.

Nicht kleckern, sondern klotzen!

Unterteilen Sie ein SharePoint-Projekt niemals in überschaubare Einzelabschnitte! Setzen Sie durch, dass die gesamte Soll-Funktionalität auf einmal in ein Lastenheft wandert, um das Thema „SharePoint“ mit einem Schlag  abzuhaken und lassen Sie auf keinen Fall den Entwicklungsaufwand für im Standard nicht enthaltene Funktionalitäten genauer vorprüfen! Vergrößern Sie ihr Dienstleisterteam, wenn sich das Projekt immer weiter hinzieht. Schenken Sie der alten Projektmanagement-Weisheit „Adding new manpower to a late project, makes it even longer“ keine Beachtung.

Lassen Sie die Finger von bewährten Geschäftsprozessen!

Halten Sie Ihren Dienstleister an, bestehende Abläufe 1:1 im SharePoint abzubilden. Ziehen Sie eine Geschäftsprozessanpassung für SharePoint keinesfalls in Betracht. Was die Standardfunktionalität nicht hergibt, wird mit Hilfe von Code-Anpassungen zurecht gebogen werden müssen. Der dahinter stehende Entwicklungsaufwand ist zu vernachlässigen.

Von Stuttgart 21 lernen heiß siegen lernen!

Vernachlässigen Sie die Rolle des Betriebsrates. Stellen Sie ihn und die MA vor vollendete Tatsachen. Erzwingen Sie die Nutzung von SharePoint notfalls unter Androhung von Abmahnungen, anstatt über inhaltliche Konzepte nachzudenken, die informationelle Mehrwerte erzeugen. Verhindern Sie außerdem jegliche Zusammenarbeit zwischen Dienstleister und dem Infrastrukturexperten Ihres Hauses. SharePoint-Piloten sollten unbedingt in geschlossener Gesellschaft eingeführt und betrieben werden! Halten Sie SharePoint daher für alle nicht direkt Beteiligten geschlossen und halten Sie die Nutzerrechte generell und aus berechtigtem Misstrauen gegenüber der eigenen Belegschaft möglichst niedrig!

1 Kommentar

    • Jochen Schnabel auf 22. August 2012 bei 21:57

    Topp! Lassen sie bitte hinzufügen: Da SharePoint sowieso nichts anderes ist als „just another file system“, ist es auch nicht nötig extra Zeitkontingente oder gar ein ausreichendes Team einzuplanen – Installationsprozesse laufen ja „nebenbei“.

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