Babetteria 28: Change-Management-Talk II

babett28In unserem ersten Change-Management-Talk habe ich mit Kristina Schüller über die zentrale Rolle des Change-Managements bei der Intranet-Einführung gesprochen. Dieses Mal tauchen wir noch etwas tiefer in die Materie ein und wenden uns Fragen nach der Unternehmenskultur und der Rolle des Managements zu.

Wie bereits im letzten Interview eifrig diskutiert, sind mitarbeiterzentrierte Workshops von großer Bedeutung, denn sie sind der Schlüssel zum Erfolg. Bevor diese Trainings stattfinden, wird die Arbeit aber schon auf Management-Ebene begonnen. Kristina, kannst du ein paar Beispiele nennen, wie und weshalb Change-Management im Idealfall ganz am Anfang jeder Intranet-Einführung bei der Führungsebene ansetzt?

Für den Erfolg von Veränderungsprozessen spielt die Führungsebene eine sehr wichtige Rolle. Im Change-Management-Bereich hört man in diesem Zusammenhang immer wieder den Begriff der „Leading Coalition“. Ihre Aufgabe ist es, Ziele zu definieren und eine inspirierende Vision zu entwickeln, die verständlich macht, warum es wichtig ist, das Alte aufzugeben und das Neue auszuprobieren. Es muss Klarheit darüber herrschen, wie das Projekt zur Strategie und zu den Unternehmenszielen passt. Außerdem haben die Führungskräfte eine sehr wichtige Vorbildfunktion, d. h. wenn sie selbst nicht überzeugt sind und das neue Intranet falsch oder gar nicht nutzen, werden die Mitarbeiter nicht sehr motiviert sein, sich dem Projekt zu öffnen.

Worauf gilt es, bei der Arbeit mit den Führungskräften besonders zu achten?

Die Führungskräfte der „Leading Coalition“ sind zwar immer im Fokus, aber es sind letztlich auch nur Menschen, denen Fehler unterlaufen können und die ihren eigenen Kopf haben. Daher ist es gerade zu Beginn eines Projekts sehr wichtig, innerhalb des Führungsteams eine Diskussion zu moderieren, in der gegenseitige Erwartungen, unterschiedliche Motivationen und Ziele besprochen und die Notwendigkeit sowie der Nutzen der Intranet-Einführung eindeutig erarbeitet werden. Dabei ist es normal, dass es unterschiedliche Meinungen, Interessen und vielleicht sogar Konflikte gibt. Diese gilt es, zu Beginn zu managen, um in der Kommunikation mit dem Mitarbeiter immer klar sein zu können.

Du sprichst von Fehlern und Konflikten, die in der Praxis auftauchen können. Worin siehst du ganz konkret ein Problem?

Wie passt das Neue in unsere Unternehmenskultur? Das ist eine wichtige Frage, die nur sehr selten explizit gestellt wird, aber von hoher Relevanz für den Erfolg eines Projektes ist.

Lass uns das mal an einem konkreten Beispiel festmachen: Bisher hatte das Unternehmen eine eher hierarchische Kommunikationsstruktur und die Mitarbeiter wurden über das aktuelle Geschehen durch die Führungskräfte informiert. Die meisten Mitarbeiter erleben es als eine Bringschuld der Führungskräfte, sie mit Informationen zu versorgen. Sie haben sozusagen eine Konsumentenhaltung in Bezug auf den Informationsfluss im Unternehmen.

Scheinbar ist das für einige Mitarbeiter jedoch nicht ausreichend, zumindest haben sie in den jährlich stattfindenden Mitarbeiterumfragen einen größeren Bedarf an Informationen und interner Kommunikation formuliert. Das Unternehmen möchte durch die Einführung einer Intranet-Plattform Interaktion fördern. Dabei entstehen ganz neue Fragen, die eindeutig etwas mit den impliziten Regeln der Zusammenarbeit, also mit der Unternehmens- und Führungskultur zu tun haben.

Da stimme ich absolut zu, Kristina! Leider wird oftmals unterschätzt, dass eine Intranet-Einführung in jedem Fall eine Veränderung der Unternehmenskultur bedeutet. Welchen Fragen muss sich denn das Beispielunternehmen in diesem Kontext vornehmlich stellen?

Ein Management-Blog ist beispielsweise eine gute Möglichkeit, den Austausch zwischen Management und Mitarbeitern zu unterstützen. Was bedeutet die Einführung für unsere heutige Form der Feedbackkultur? Was macht ein Führungsgremium, das es bisher nicht gewohnt war, öffentlich Feedback zu bekommen und auf ungefilterte Fragen antworten zu müssen? Wie wahrscheinlich ist es, dass Mitarbeiter öffentlich Feedback geben, wenn sie das zuvor noch nie getan haben, vielleicht sogar deswegen abgestraft wurden? Wenn der Geschäftsführer in eine Richtung bloggt, dürfen die Mitarbeiter dann in die andere Richtung liken, ranken, Fragen stellen? Ist das Management wirklich offen für das Feedback der Belegschaft? Wie geht man als Führungskraft damit um, wenn es Kritik hagelt?

All diese Fragen können nur beantwortet werden, wenn man sich frühzeitig mit den expliziten und impliziten Regeln der Zusammenarbeit in einem Unternehmen auseinandersetzt. Struktur (z. B. IT-Systeme) verändert Kultur (Regeln der Zusammenarbeit) und Kultur bestimmt Struktur. Allein an diesen Beispielen wird deutlich, wie wichtig es ist, sich nicht nur über die technische Seite des Intranets Gedanken zu machen.

Beim Thema Veränderung in Unternehmen, wie sie eben auch eine Intranet-Einführung darstellt, geht es nicht nur darum, gegen Probleme und Konflikte zu kämpfen, sondern auch darum, mit Klischees und Vorurteilen in den Köpfen der Menschen aufzuräumen. Welcher Irrglaube stört dich in diesem Zusammenhang am meisten?

Wir hatten ja bereits über das Thema Change-Management gesprochen. Damals habe ich gesagt, dass das alte Klischee, dass sich alle Menschen im Unternehmen gegen Veränderungen wehren und dass der Mensch ein Gewohnheitstier ist, für mich so nicht stimmt.

Es gibt in der Politik, in der Wissenschaft und in vielen anderen Bereichen des Zusammenlebens viele Beispiele, in denen Menschen sehr aktiv neue Wege gegangen sind und konstant Veränderungen initiiert haben. Ich glaube, dass wir Menschen einen angeborenen Drang nach Weiterentwicklung haben und in uns Forscher und Entwickler stecken.

In der Theorie klingt das ja ganz spannend, aber worin siehst du konkrete Anknüpfungspunkte für die Praxis der Intranet-Einführung?

Wenn wir erkennen, dass Menschen unterschiedlich mit Veränderungen (z. B. mit der Einführung eines neuen Intranets) umgehen, dann stellt sich doch die Frage, was ich als Projektleiter und Entwickler damit machen kann.

Hierzu möchte ich dich etwas fragen, Babett: Denk doch mal an ein weniger erfolgreiches Projekt, das du begleitet hast. Erinnerst du dich an die vielen Menschen, mit denen du zusammengearbeitet hast? Welche Menschen haben dich viel Energie gekostet und womit hast du viel Zeit verbracht?

Es gab Personen, die viele Probleme gesehen haben, die immer wieder schlechte Stimmung verbreitet und den Nutzen des neuen Systems angezweifelt haben. Darüber hinaus waren sie auch nicht zur Zusammenarbeit bereit und haben nicht das geliefert, was vereinbart war. Dieses Verhalten hat mich geärgert und daher haben diese Personen im Prozess immer mal wieder Konflikte verursacht.

Also gab es Ärger mit den 10–15%, die du in jeder Organisation, in jeder Arbeitsgruppe findest. Die Menschen, die sich grundsätzlich schlecht auf Neues einlassen wollen und können. Die kenne ich auch.

Aber wenn du noch einmal nachdenkst, gab es bestimmt auch die Menschen, die das Projekt von Beginn an mit viel Engagement und Enthusiasmus unterstützt haben. Wie viel Zeit hast du täglich mit ihnen verbracht und wie viel Zeit hast du dir genommen, dir ihre Ideen und Vorschläge anzuhören? Wie viele Momente gab es, in denen du ihren Einsatz öffentlich belohnt hast?

Ja, die Engagierten ticken so wie ich, mit ihnen lässt es sich sehr gut arbeiten. Gern nehme ich mich ein bisschen zurück und stelle sie in den Mittelpunkt. Ideen, die aus der Gruppe kommen, werden von den anderen besser angenommen. Wenn ich genau nachdenke, war ich bei meinem allerersten Projekt aber eher mit den Verweigerern beschäftigt.

Genau das ist die Falle, in die wir häufig tappen: Wir konzentrieren uns auf die 10–15%, die nicht wollen und übersehen dabei diejenigen 10–15%, die wollen und können. Damit verlieren wir nicht nur deren Engagement, sondern auch das potentielle Engagement der 70–80% Unentschlossenen, die sich das Tauziehen zwischen den anderen ansehen.

Im Change-Management geht es immer darum, die kritische Masse von einer Sache zu überzeugen und für diese Sache zu gewinnen. Das gelingt nicht, wenn wir unsere gesamte Energie in die Menschen investieren, die eigentlich nicht wollen. Wesentlich erfolgversprechender ist es, die, die wollen und können, zu unterstützen und ihnen eine Bühne für ihre Erfolge zu geben. So werden sie positive Beispiele für die, die noch nicht wissen, was sie machen wollen. Verstehst du, was ich damit sagen will?

Den 15% Wollenden geben wir eine Bühne, damit die 70% Abwartenden Lust bekommen, mitzuziehen. In die 15% Nicht-Woller investieren wir keine übermäßige Energie.

So, das waren einige wichtige Zahlen. Ziehen wir Bilanz und fassen zusammen: Change-Manager rechnen mit 15-70-15, ich kämpfe für 15-80-5 und die Jungs von der IT-Abteilung sind jetzt hoffentlich 30% überzeugter, dass Intranet-Projekte nur mit Change-Management gut funktionieren …